HOME

25.05.2011

Punkt und Schluss!

Narzißmus heute: Pepe Danquart filmt Joschka Fischer im Privatkino.

„Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran!“ Mit diesem Refrain besang die damalige Punkband Fehlfarben die Geschichtslosigkeit der frühen 80er Jahre, einer Zeit  in der „graue B-Film Helden“ die Welt regierten. Ein grauer „Held“ der jüngeren Vergangenheit erzählt nun im neuesten Film von Pepe Danquart unterlegt von Fehlfarben-Musik wie er deutsche Geschichte „gemacht“ hat: „Joschka und Herr Fischer – eine Zeitreise durch 60 Jahre Deutschland“

Zugegeben das abwechslungsreiche Leben des politischen Autodidakten Joseph Martin Fischers Leben mit all seinen biografischen Sprüngen und Brüchen eignet sich hervorragend für ein solches Unterfangen. Mit einem Bein im Knast, zieht sich der durch die Ereignisse im deutschen Herbst desillusionierte Fischer aus der linksradikalen Szene zurück, um nur einige Jahre später als geläuterter Realpolitiker bei den Grünen aufzutauchen. Erst wird er in Turnschuhen hessischer Umweltminister, dann im Anzug Außenminister und Vizekanzler.

Fischer war schon immer Machtmensch, Selbstdarsteller und Egozentriker. Wer eine solche Person porträtiert muss sich hüten ihm eine weitere Plattform zur Selbstinszenierung zu geben. Genau  an dieser Aufgabe scheitert Danquart. In seinem Film entfaltet der Staatsmann a.D.  gefüttert mit den Archivbildern der BRD-Geschichte seine narzistische Sicht der Dinge.

An entscheidender Stelle sehen wir den frisch gebackenen Außenminister mit sich ringen, wenn der neue Kanzler Schröder ihn beim Gruppenbild anfaucht: „Lächeln! Lächeln!“ Fischer sieht die Probleme auf sich zukommen vor allem den Angriffskrieg der NATO auf Jugoslawien, die erste deutsche Kriegsbeteiligung seit 1945. In diesem Kontext darf bei Danquart der Publizist Roger de Weck das Wort „völkerrechtswidrig“ in den Mund nehmen, allerdings nur um Fischers Standpunkt zu untermauern.

Kein Widerspruch, keine Widerrede, kein Protest. Nur Fischer – Punkt und Schluss.

Auch andere Zeitgenossen helfen wenig weiter, sondern steigern nur das Tempo dieses beinahe 140 minütigen Geschichtsmarathons.

Einzig bei den filmischen Mitteln gelingt es dem Oskarpreisträger Danquart den engen perspektivischen Rahmen zu sprengen. Zentral ins Bild gerückt bewegt sich Fischer in dunkler Industrieatmosphäre, umgeben von freihängenden Glasflächen, auf die in Endlosschleifen die historischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts projiziert werden – übereinander geschichtet, durchsichtig und simultan. Ein spannendes, so noch nie gesehenes Stilmittel.

Da wird die selbstzufriedene Idylle der 50 Jahre hinterlegt mit Bildern von Bergen Belsen und Auschwitz. In der flimmern schon die unruhigen späten 1960er Jahre: Vietnam, Dutschke, Brand und Kennedy, Oswald Kolle und Benno Ohnesorg. Dazu immer wieder Wasserwerfer und prügelnde Polizisten.

Doch auch diese angestrebte Mehrdimensionalität bleibt so eindimensional wie der ganze Film. Denn der zwischen den Bildfetzen dozierende Fischer, mal mit Zitronengesicht mal in Denkerpose nutzt die Bilder nur als Projektionsfläche seiner eigenen Ansichten.

Danquart hätte Fischer nicht nur mit Bildern konfrontieren dürfen, sondern mit der Kritik seiner einstigen Partner und Gegner: Der bewaffnete Widerstand, die veräppelten Fundis, die Kriegsgegner von 1998/99.

Komisch sind die Bilder der Grüne aus Anfangstagen, als vollbärtige Männer mit Strickzeug den Diskussionen lauschten: „Oh Gott, oh Gott, du siehst meine Begeisterung,“ sagt Fischer der Mann mit der Monoperspektive.

 

veröffentlicht in “ junge welt“ vom 19. Mai 2011